Chia-Tyan Yang 楊佳恬

Pianist. Storyteller.

Im Namen der Tradition
Stories

Im Namen der Tradition

In meiner Heimat Taiwan ist es nicht üblich, dass „frau“ den Familiennamen ihres Ehegatten annimmt. Meine Mutter hat Doppelnamen und dies ist etwas Außergewöhnliches. Amtswege wegen Namensänderung nach der Hochzeit und so kennen wir gar nicht.

Eine verheiratete Frau behält also ihren Mädchennamen (ich wüsste nicht einmal, wie dieser Begriff auf Mandarin heißt), jedoch gibt eine auch neue, zusätzliche Anredeform „Taitai“, wenn sie im Zusammenhang mit ihrem Mann erwähnt wird. Also meine Mama ist eine gebürtige „Huang“, man nennt sie „Frau Huang“. Ihren Doppelnamen „Yang-Huang“ verwendet sie nur dann, wenn sie unterschreiben muss. Wenn sie mit meinem Papa unterwegs ist, ist sie „Taitai Yang“. Meine Freunde nennt sie wiederum „Tante Huang“ oder „Mama Yang“. Mit dieser Sozialisation im Hinterkopf kann ich mir gar nicht vorstellen, jemals meinen Namen zu ändern.

Ich rufe ein Hotel auf der unecht schönen Fraueninsel auf dem unecht schönen Chiemsee an, und erkläre der bayrischen Wirtin und Hotelbesitzerin, dass ich im Namen meines Mannes mit ihr die bevorstehende Reise besprechen möchte. Mit einer unschlagbaren Herzlichkeit und Selbstverständlichkeit brüllt mir die ältere Dame ins Tefelon entgegen: „Ohhhh Sie sind es, Frau Sebl! wir haben alle Ihre liebe Email gelesen!“

Ich korrigiere sie nicht, unterdrücke den hartnäckigen feministischen Teil in mir und muss innerlich schmunzelnd gestehen: Ja, diese Form von Anrede hat schon ihren Charme…

 Aus der Kolumne „Unterwegs mit Chia-Tyan Yang“
Straßenmagazin Megaphon /Ausgabe Oktober 2016

Written by Chia-Tyan Yang in 2017/01/13