Wien – Eigentlich …
Vor Kurzem besuchte ich Wien, in der ich ein paar Jahre „mit-gewohnt“ habe, als Schatz noch als Exilsteirer dort gearbeitet hat. Dort begebe ich mich in ein nettes Café im 7. Bezirk, eines meiner Lieblingsbezirken in Wien, mit ihren kleinen Gassen charmant, urban und doch originell wienerisch.
An der Bar bestelle ich einen Kaffee, kritzele meine Gedanken auf ein Blatt Papier, dann und wann ein paar Worte mit dem Cafébesitzer wechselnd.
Cafébesitzer: Sind Sie Wienerin?
Ich (komplett schockiert): Nein, wie kommen Sie denn drauf? Ich bin Grazerin!
Cafébesitzer (hebt entwaffnend die Hände): Entschuldigen Sie, ich wollte nicht unhöflich sein. Aber Sie haben irgendwie einen leichten Wiener Akzent.
Ich (stöhne laut auf): Das ist unmöglich – ich bin Chinesisch-Muttersprachlerin!
Cafébesitzer: Sind Sie also Chinesin?
Ich: Ich spreche zwar Chinesisch, aber ich bin eigentlich Taiwanesin.
Cafébesitzer (lacht auf): Ich spreche zwar Türkisch, aber ich bin eigentlich Kurde.
Ein Gast am Nebentisch, der offensichtlich unserem Gespräch verfolgt: Ich spreche Deutsch, aber ich bin eigentlich Wiener!
Aus der Kolumne „Unterwegs mit Chia-Tyan Yang“
Straßenmagazin Megaphon /Ausgabe Juni 2016