Taiwan vs. Corona: Bereitschaft der Bevölkerung & Kommunikationsarbeit der Regierung

Titelbild: Kampagne von Primeminister Su mit dem Slogan auf Dialekt: „Jeder von uns hat bloß einen Arsch – kein Klopapier hamstern – den Gerüchten nicht glauben“

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Ich habe zum Artikel „Was Asien besser macht als Europa“ (Kleine Zeitung, 25.11.2020) einen Leserbrief geschrieben, den die Zeitung in Auszügen abgedruckt hat. Mich haben mehrere Freunde darauf angesprochen, also teile ich den Leserbrief in voller Länge mit euch:

In Ihrem interessanten Artikel „Was Asien besser macht als Europa“ wird meine Heimat Taiwan als „absolutes Vorbild“ bezeichnet. Darüber hinaus werden die rigorosen Corona-Maßnahmen der Inseldemokratie beschrieben. Ich möchte gern zwei im wörtlichsten Sinne tragende Säulen zur erfolgreichen Covid19-Eindämmung Taiwans hervorheben: Den Willen und die Bereitschaft der Bevölkerung sowie die gut durchdachte Kommunikationsarbeit der Regierung. Wobei der letztere Punkt den ersten maßgeblich beeinflusst.

Ich bin mit der Familie und den Freunden aus Taiwan in engem Kontakt und staune nicht selten über die große und verständnisvolle Bereitschaft der taiwanesischen Bevölkerung, die Maßnahmen mitzutragen. Jede noch so kleine Meldung des Gesundheitsministeriums wird von der Bevölkerung mit großem Interesse verfolgt. Die Oppositionsparteien machen ihre Arbeit sehr gut, indem sie der Regierung ganz genau auf die Finger schauen und nicht mit der konstruktiven Kritik scheuen; bei den wichtigen Fragen ziehen jedoch alle politischen Parteien am gleichen Strang. Somit werden auch kaum Verwirrungen gestiftet.

Das Digitalministerium arbeitet transparent mit zahlreichen freien Programmierern zusammen und hat bereits mehrere Apps entwickelt (Mund-Nasen-Schutz-App, Apotheken-App, Wie-meide-ich-Menschenmenge-App etc.). Das Gesundheitsministerium setzt auf verschiedene Kommunikationskanäle, jede Maßnahme wird nachvollziehbar für die unterschiedlichen Altersgruppen erklärt:

Z.B. für die Jugendlichen gibt es regelmäßig lustige Plakate oder Zeitschriften im Manga-Stil. Für den Facebook-Auftritt wurde ein eigenes Maskottchen entwickelt. Für den Gesundheitsminister und die weiteren Politiker, die in der Covid19-Eindämmung involviert sind, gibt es längst Avatars und Comicsfiguren. Der Gesundheitsminister zeigt sich volksnahe und es gelingen ihm bereits zahlreiche PR-Kampagnen: sein Team veröffentlichte im Frühjahr beispielsweise eine Zuschrift eines Volksschülers, der darüber klagte, dass er aufgrund seiner rosaroten Maske von seinen Mitschülern gehänselt wurde. Ein paar Tage später erschien der Gesundheitsminister und sein gesamtes Team öffentlich mit rosaroter Maske, um den Buben zu ermutigen.

Die bunt gemischten Kampagnen der Regierung wirken selten „von oben nach unten“ angeordnet, man weist die Bevölkerung auf den Ernst der Lage ausdrücklich hin, versucht zugleich ein positives Gefühl des „Team Taiwan“ zu entwickeln. Was der Regierung tatsächlich gelingt. Die Ergebnisse lassen sich sehen: die täglich positiv gemeldeten Fälle im dicht bevölkerten Land mit 24 mio. Einwohnern bewegen sich zwischen ein- bzw. zweistellig (meistens handelt es sich dabei um importierte Fälle). Die Wirtschaft schrumpft nicht und wächst sogar.

Seit mehr als zehn Monaten und ohne Lockdown.