Die gute Erde
Diese Komlune widme ich meiner österreichischen „Oma“.
Sie schlief 96järig ein. Als mich Schwiegermama fragte, ob ich etwas von dem Nachlass haben möchte, antwortete ich: „Die gute Erde“ von Pearl S. Buck. Es handelte sich um die deutsche Erstausgabe des Romans aus dem Jahre 1934. Dieser Roman, geschrieben von jener amerikanischen Schriftstellerin, die als erste Frau den Nobelpreis für Literatur gewann, symbolisiert für mich in vielerei Hinsicht „Omas“ Wesenskern.
Er beschreibt die asiatische Kultur mit viel Neugier und Repekt. Völlig wertungsfrei. Genauso begegnetete mir „Oma“ von Anfang an. Noch bevor der Begriff „Integration“ ein politisches Modewort wurde, hatte sie mich schon längst in ihre österreichische Familie integriert. Mit offenen Armen aufgenommen.
Als Schatz mich seiner Familie vorstellte, lautete einer ihrer ersten Sätze: „Ich habe gesehen, wie du meinen Enkelsohn ansiehst. Ich glaube, du hast ihn wirklich sehr gern und das beruhigt mich sehr.“
Sie war eine leidenschaftliche Musikliebhaberin. Wo auch ich auftrat. Sie saß immer in der ersten Reihe. Als ich einmal ein taiwanesisches Stück spielte und ich auf der Bühne in Tränen ausbrach, nahm sie mich nach dem Konzert n die Arme, strich mir die Haare aus dem Gesicht und sagte: „Mein Pupperl hat Heimweh.“
Ich komme aus einer großen Familie (Der mir nahestehende Verwandten-Kreis umfasst sage und schreibe 64 Personen! Manche Verwandten standen meinem Entschluss, „einen Ausländer aus Österreich“ zu heiraten, durchaus skeptisch entgegen. Mit einer Videobotschaft gelang es „Oma“, meine Familie zu entwaffnen: „Dass mein Enkelsohn von einer asiatischen Familie aufgenommen wird, finde ich ehrend.“
Danke, liebe Oma.
Ich werde dich für immer vermissen.
Aus der Kolumne „Unterwegs mit Chia-Tyan Yang“
Straßenmagazin Megaphon /Ausgabe Juli 2016