Austria, ist mein Land, y’know.
Wien mal anders: Ein Tag in der Multikulti-Stadt mit dem kongolesischen Gitarristen und Sänger Pascal „Papi“ Lopongo, der in Österreich seine Heimat gefunden hat.
Als ich nach einer durchgefeierten Nacht von Wiener Neustadt Richtung Wien fuhr, um den Musiker Pascal „Papi“ Lopongo kennenzulernen, konnte ich noch gar nicht ahnen, dass mir an diesem Tag noch ein spannendes Abenteuer bevorstünde. Der flotte Musiker aus dem Kongo bat mich, zur Endstation der Linie U3, Ottakring, zu kommen, da er anschließend zu einer afrikanischen Kirchenchorprobe in der Nähe gehen musste. Nun sitzen wir in einem Straßencafé gleich am Ausgang der geschäftigten U-Bahn-Station. Umgeben von Lärmgeräuschen unterschiedlicher Fahrzeuge, einem undefinierbaren Klanggemisch verschiedener Sprachen, kichernde Mädchen, kreischende Kinder auf Scootern, laut schnatternde Jugendliche und fad schmeckendem Kaffee – ein herrliches dadaistisches Szenario einer multikulturellen Metropole, wie ich es kenne und abgöttisch liebe.
[…] Seine Telefone klingeln ununterbrochen und er switcht mühelos zwischen Englisch, Französisch, Deutsch (mit einem Hauch Wiener Einschlag) und Linghala, einem Dialekt aus dem Kongo, in dem er auch meistens singt. „Auf Linghala kann ich meine Emotionen am direktesten ausdrücken“, erklärt Pascal. Neben der Stimme ist die Gitarre das Medium, mit dem er sich mit der Welt verständigt. Seine erste Gitarre kaufte ihm seine Mutter, als er die Girtarre seines Onkels aus Neugier ausprobiert und kaputtgemacht hatte. Unterstützt und gefördert durch seine Mutter, fing er an zu musizieren, „seitdem habe ich nie aufgehört Musik zu machen“, erzählt er stolz.
[…]
Auf einmal fragt mich der Chorleiter durchs gefühlte 30.000-dezibel-Mikro, obwohl ich mich nicht mal drei Meter entfernt befinde, „Sie spielen ja Klavier, haben Sie gesagt?“ Bevor ich überhaupt antworten kann, sitze ich schon vor einem Keyboard. „Der Pianist ist verhindert und kommt erst später“, erklärt Pascal achselzuckend und verkabelt entspannt seine E-Gitarre. Niemand kann das Keyboard bedienen und alle schauen mich erwartungsvoll an. „Ich bin eine klassische Pianistin, das Ding kann ich gerade einschalten, mehr nicht“, sage ich ganz kleinlaut. „Macht nichts, spiel einfach irgendwas mit“, sagt der Chorleiter großzügig.
„Was spielen wir da eigentlich?“, flüstere ich Pascal völlig unsicher zu. „Keine Ahnung. Wir folgen den Sängern einfach.“ Aha, das heißt, es gibt weder Noten noch Akkordsymbole zum Mitlesen. Wie beruhigend, denke ich zähneknirschend. Nachdem der Chorleiter mir ein Youtube-Video auf einem iPad (angeschlossen an den Boxen und wiedermal gefühlte ohrenbetäubende 30.000 Dezibel) gezeigt hat und ich mit seiner Anweisung „du machst einfach so und so Rhythmen, ganz einfach!“ praktisch nichts anfangen kann, zeigt Pascal mir schnell die rhythmischen Figurationen an der Gitarre und zischt mir Akkorde zu, „B-Dur, g-moll, Durchgang, C-moll, Durchgang … d-moll, Septakkord, Auflösung!“ Ist das doch erleichternd zu erfahren, dass Musiker auf der ganzen Welt die gleiche Sprache sprechen!
Lost in Translation – als Gast in der kongolesischen Community
Nach der Kirchenchorprobe habe ich es dringend nötig, meine Ohren mal regnerieren zu lassen. Jedoch sitze ich wenige Stunden später, ganz Wien durchquert, in einer großen Halle in der Nähe der UNO-City und werde wieder von Musik mit gefühlten 30.000 Dezibel beschallt. Es handelt sich um eine Geburtstagsfeier, zu der sich praktisch die gesamte kongolesische Community in Wien versammelt hat…
Ich, ganz leger und casual in T-Shirt und Jeans, muss gleich feststellen, dass ich schlichtweg völlig under-dressed bin. Die Herren sind entweder in Anzug oder noblem traditionellem Gewand, eine Dame aufgetakelter und durchgestylter als die andere: High Heels, aufwendige Hochsteckfrisuren, edler afrikanischer Schmuck etc. Ich fühle mich wie ein häßliches Entlein unter eleganten schwarzen Schwänen und habe nicht mal eine Möglichkeit, mich irgendwie zu verstecken: wie kann ich als die einzige Asiatin in einer Gesellschaft von über 200 Kongolesen nicht auffallen!…
Diesen Artikel habe ich 2012 im Auftrag des Multikulti-Balls verfasst. Hier geht’s zum kompletten Artikel auf der Website des Multikulti-Balls: http://multikulti.at/austria-ist-mein-land-yknow/
Artikelfoto: Lukas Beck